Intern
    Lehrstuhl für Informatik VIII - Informationstechnik für Luft- und Raumfahrt

    Projektskizze

    Autonomous Quadrotor for Indoor Exploration

    Autonomer Quadrocopter zur Innenraumerkundung
     


    Hintergrund

    Mit Quadrocoptern (Quadrotoren) sind Miniaturfluggeräte (Drohnen) mit 4 Propellern und einer Größe von ca. 50 cm gemeint. Aufgrund ihrer einfachen Mechanik und guten Manövrierbarkeit sowie geringer Größe und Kosten gewannen diese Flugobjekte in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. Längst ist die Verwendung von Drohnen wie Quadrocoptern nicht mehr auf spezielle Bereiche wie das Militär und den Modellflug beschränkt, sondern ihr Einsatz wird in vielen Szenarien erprobt. Heute sind Quadrocopter für jedermann kommerziell erhältlich, insbesondere als ferngesteuerte Spielzeugflugobjekte. Doch die kommerzielle Verwendung ist nicht auf Spielzeuge beschränkt. Die deutsche Firma Microdrones vertreibt Drohnen z. B. an Betreiber von Wind- und Solarparks. Die Dortmunder Feuerwehr erprobt zusammen mit dem DFKI Drohnen für den Einsatz bei Massenunfällen. Katastrophenschutz (Fukushima), Biologie (Tierzählungen) und Landwirtschaft (Übersichtsbilder) sind einige Beispiele für weitere Anwendungsfelder, die existieren. Die geplante Änderung des Luftverkehrsgesetzes durch die Bundesregierung zu Gunsten des Einsatzes kleiner, unbemannter Drohnen ist ein weiteres Indiz für die
    Bedeutung dieser zukunftsträchtigen Technologie.


    Unsere Alleinstellungsmerkmale

    Bisher werden Quadrocopter fast ausschließlich im Freien eingesetzt (siehe die obengenannten Anwendungsfelder) und oftmals durch eine Fernbedienung gesteuert. Die bestehenden autonomen Systeme verwenden GPS, das im Freien zur Positionsbestimmung eingesetzt werden kann. Ebenso existieren für den Innenraum bereits „autonome“ Systeme (Forschungsarbeiten), die selbstständig Positionen anfliegen. Diese Systeme verwenden aber stets festmontierte Positionserfassungssysteme wie Raumkameras (Positionserfassung mit Stereokamerasystemen) und sind auf eine externe Positionsbestimmung angewiesen.
    Unser Ziel ist jedoch die autonome Erkundung (Exploration) unbekannter Innenräumen. Dieses Anwendungsfeld ist kaum erforscht. Die Schwierigkeiten dabei sind der (meistens) fehlende GPS-Empfang und die damit fehlende absolute Positionsreferenz zur Navigation. Weiterhin haben Quadrocopter eine sehr einfache mechanische Konstruktion, aber eine höchst instabile Fluglage (instabiles System): Ohne rechnergesteuerte Lageregelung würden sie sofort abstürzen. Wir arbeiten an einer extrem präzisen Lageregelung mit Low-Cost Sensorik (IMU) und moderner Signalverarbeitung, die es uns ermöglichen soll, eine stabile Lage trotz externer Störung (Luftströmungen im Korridor durch Thermik/Feuer) bei gleichzeitiger fester Position im Zentimeterbereich zu erreichen.
    Die Idee dabei ist das gesamte System selbst zu entwickeln, um für eine bestmögliche Abstimmung auf das Anwendungsszenario alle Parameter des Systems optimal einzustellen. Das Ziel ist die Entwicklung eines autonomen Quadrocopters, der sich auch in a priori unbekannten Gebäudekomplexen zurechtfindet und in der Lage ist, Erkundungs- und Suchaufgaben durchzuführen, sowie die Ergebnisse an den Nutzer (per Funk) zu schicken. Der AQopter soll in die Lage versetzt werden, einen Räume autonom, trotz Rauch, Dunkelheit und Hindernissen, zu kartografieren und Lagepläne „on the fly“ zu erstellen.


    Anwendungsszenarien

    Einige Beispiele von Anwendungsszenarien sind:

    • Erkundung von unbekannten Räumen 
      • Brennende Gebäude (Feuerwehr)
      • Eingestürzte Gebäude (Feuerwehr, Katastrophenschutz)
      • Exploration in Krisengebieten (Armee, Katastrophenschutz)
      • Exploration von Untergrundarealen (Höhlen, Minen, Katakomben, etc.)
    • Überwachung von bekannten Räumen
      • „Nachtwächter“
      • Industriekomplexe z. B. mit Gasgefahr

    Ein Anwendungsszenario ist die Verwendung im Feuerwehreinsatz. Das Durchsuchen eines brennenden oder einsturzgefährdeten Gebäudes nach Überlebenden ist für die Sicherheitskräfte hochgefährlich, sofern dies überhaupt durchführbar ist. Bevor Menschen ihr Leben riskieren, könnte ein (Low-Cost) AQopterI8 eingesetzt werden. Selbst bei Verlust des Systems wäre der Schaden je nach Sensorik minimal (300€ -3000€). Möglich wäre auch die Überwachung von Räumen, die Personen aus gesundheitlichen
    (toxisch, radioaktiv, Explosionsgefahr) oder anderen Gründen (z.B. Reinlichkeitsanspruch, Zugriffsicherheit) nicht betreten sollten. Denkbar sind Räume von Kernkraftwerke und Chemiefabriken sowie Archive, Museen, Banken, etc. Da der AQopterI8 mit niedriger Spannung arbeiten und funkenfreie Motoren verwendet, könnte dieser auch mit Erdgas angereicherte Volumen durchfliegen. Weitere Anwendungsgebiete sind Minen, Höhlen und Katakomben. Der AQopterI8 könnte große unterirdische komplexe selbstständig erforschen, überwachen oder überprüfen (Gasprüfung, etc.). Die Anwendungsfelder sind unbegrenzt. Der AQopterI8 verwendet dabei Funk um mit einer Kommandostation Daten auszutauschen. Mehrere Systeme kommunizieren über ein Funknetz. Dabei werden unterschiedliche Funklösungen erprobt, die eine Kommunikation durch Wände ( Niederfrequenz, z.B. 800MHz) soweit möglich als auch eine schnelle Datenrate (Hochfrequenz, 2.4GHz) ermöglichen.
    Es werden verschiedene Nutzlasten montiert, um wichtige Informationen der Umgebung zu sammeln und zu übertragen: z. B. Lage, Videodaten, Temperaturen, chemische Analysen wie Gasvolumenzusammensetzung etc.


    Konzept: Flugführung, Regelung und Sensorik

    Die Flugführung ist komplett autonom. Zur Flugführung gehört das Mapping und Entscheiden, wie programmierte Kommandos (Suchen & Finden, Zurückkehren) ausgeführt werden können. Der zweite Schwerpunkt unserer Arbeit, neben Algorithmen und Methoden für eine
    intelligente Flugführung, ist die Regelung und Sensorik. Eine präzise Positionierung erfordert verlässliche Informationen über die Umgebung. Das System wird in Analogie zu einer Kaskadenregelung konzipiert. In der innersten Regelschleife regelt der Quadrocopter seine Lage durch den Einsatz von MEMSSensoren (Accelerometer, Magnetometer und Gyros). Mit Hilfe von Ultraschall und optischer (Infrarot, Laser, Video- und Wärmebildkamera) Sensorik wird dann die äußere Regelung betrieben. Diese besteht aus der Positionsregelung und der darüber liegenden Befehls- und Auftragskontrolle. Durch den Einsatz von Ultraschallsensoren findet sich der Quadrocopter auch in verrauchten Räumen zurecht. Seine Position kann er dadurch relativ zu Wänden und Gebäude feststellen. Gestützt werden die Ultraschalldaten durch Infrarotmessungen. Weiterhin arbeiten wir an einem Positionsbestimmungssystem basierend auf dem Phasenvergleichen von elektromagnetischen Strahlen großer Wellenlänge, sodass auch eine Navigation relativ zu tragbaren Funkstellen möglich ist. Da Langwellen- Funk auch dicke Wände durchdringt, kann diese Methode auch zur Navigation in Innenräumen benutzt werden.



    Stand der Arbeiten

    Am Lehrstuhl Luft- und Raumfahrtinformatik der Universität Würzburg experimentieren wir bereits mit autonomen Quadrocoptern. Unser jetziger Stand (Sepetember 2012) ist:

    • Eigene mechanische Konstruktion
    • Eigenes Softwareframework mit stabiler Fluglageregelung und Flugführung
    • Kalman Filter mit Accelerometer und Gyros zur Driftkompensation
    • Steuerung per Fernbedienung und PC möglich
    • Kollisionsvermeidung und Hinderniserkennung mit Ultraschall
    • Höhenregelung mit Ultraschall-, Druck, Inertial und Infrarotsensoren
    • Positionsregelung unter Verwendung des Prinzips des optischen Flusses
    • Autonomes Starten,  Landen und Positionsanfliegen
    • Funkkommunikation mit Bluetooth, W-LAN & 800MHz in Entwicklung
    • 3D-optische Rekonstruktion der Umgebung wird untersucht
    • Algorithmen für Navigation durch Phasenverschiebung werden untersucht (Theorie)
    • Mapping wird untersucht
    • Umgebungserfassung mit PMD wird untersucht
    • Kollisionsvermeidung und Hinderniserkennung mit Infrarot wird untersucht

    Geplante Arbeiten

    Wir streben an, die oben genannten Ziele bis Ende 2014 mit dem Einsatz von zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern zu erreichen. Schwerpunkte der Arbeit sind Folgende:

    • die Schaffung von Algorithmen und Methoden für eine präzise Lage- und Positionsbestimmung sowie zur Steuerung
    • eine autonome und präzise Flugführung, die Kollisionen vermeidet und Hindernissen ausweichen kann
    • Implementierung einer Sensorik zur Lage- und Positionsbestimmung in a-priori unbekannter Umgebung
    • Entwicklung und Anwendung von Algorithmen, um die (3D) Umgebung zu erfassen

    Für die Erprobung und Weiterentwicklung unserer Systeme können wir eine verlassene Schule nutzen. Dort finden wir die typische Umgebung, die wir brauchen: Flure, Räume, Türen, Fenster, Hindernisse. Der Lehrstuhl baut aktuell einen kleinen Windkanal, der zur Evaluierung des Systems bei Störeinflüssen genutzt werden soll. Eine Nebelmaschine wurde angeschafft, um Rauch zu simulieren. Des Weiteren wird das Flugverhalten des Systems bei Dunkelheit erprobt.
    In unserem Institut arbeiten wir auch an der Regelung und Steuerung von gekoppelten Systemen. Daher wird auch das Erkunden von Räumen mit mehreren kooperierenden Flugobjekten möglich sein.