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Institute of Computer Science

Nachruf auf Professor Phuoc Tran-Gia

05/30/2023

Das Institut für Informatik trauert um unseren geschätzten Kollegen Professor Phuoc Tran-Gia, der völlig unerwartet am 17. Mai 2023 im Alter von 70 Jahren verstorben ist.

Professor Phuoc Tran-Gia (2018), fotografiert in seiner Zeit als Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationsnetze (Informatik III) der Universität Würzburg.

Mit großer Trauer und Betroffenheit verabschieden wir uns von unserem geschätzten Kollegen und Freund, Phuoc Tran-Gia, der viel zu früh von uns gegangen ist. Sein Wirken und Engagement hat nachhaltig das Institut für Informatik und die Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg geprägt und die Informatik in Forschung und Lehre entscheidend mit Mut, Innovation und Visionen vorangetrieben. Als Dekan lenkte er erfolgreich die Geschicke der Fakultät für Mathematik und Informatik von 2007 bis 2009.

Phuoc Tran-Gia war ein herausragender international renommierter Wissenschaftler. Mit seinem Weitblick und Charisma hat er viele Menschen auf ihrem beruflichen aber auch persönlichen Lebensweg inspiriert, motiviert und geleitet. Seine Persönlichkeit hat maßgeblich dazu beigetragen, dass verschiedene Personen am Institut berufen wurden. Die Faszination an der Forschung in der Informatik und insbesondere in den Kommunikationsnetzen und deren Leistungsbewertung hat er an Generationen von Wissenschaftlern und Studierenden weitergegeben. Als Mentor war er für viele ein Vorbild in allen Bereichen, als herausragender Wissenschaftler, als Kollege, als Lehrstuhlinhaber, als Dekan, als Vizepräsident, ... aber vor allem als Mensch!

Wissenschaftlicher Werdegang

Phuoc Tran-Gia wurde 1953 in Da Nang, Vietnam geboren. Als einer der besten Abiturienten Vietnams kam er 1970 nach Deutschland. Er studierte Elektrotechnik an der Universität Stuttgart und schloss sein Studium 1977 erfolgreich als Diplom-Ingenieur ab. Er arbeitete von 1977 bis 1979 als Ingenieur in der Software-Entwicklung von digitalen Vermittlungssystemen („Software design of digital SPC switching systems“) bei Standard Elektrik Lorenz (SEL, heute Alcatel-Lucent).

Anschließend war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Siegen, wo er seine Promotion unter Professor Paul Kühn im Jahr 1982 abschloss. Das Thema seiner Promotion waren die Modellbildung und Analyse von Überlastproblemen in rechnergesteuerten Fernsprechvermittlungssystemen. Seine Ergebnisse kommen auch heute noch beim Energiemanagement von Rechenzentrumsservern, die im Hot- und Cold-Standby betrieben werden, oder bei der Modellierung des Kernnetzes von Mobilfunknetzen zum Einsatz.

Gemeinsam mit Professor Kühn ging er an die Universität Stuttgart, wo er von 1983 bis 1986 Forschungsgruppenleiter war und an seiner Habilitation arbeitete. Von 1986 bis 1988 ging er zu IBM Research Division in Rüschlikon, Zürich, um an der Architektur und Leistungsbewertung von Kommunikationssystemen zu forschen. Seine Habilitation schloss er 1988 mit einer Arbeit über die „Zeitdiskrete Analyse verkehrstheoretischer Modelle in Rechner- und Kommunikationssystemen“ ab.

Phuoc Tran-Gia wurde 1988 auf den Lehrstuhl für Informatik III (Kommunikationsnetze) berufen. Er war aber bereits ab 1985 als Dozent für Computer-Netzwerke an der JMU tätig. Den Lehrstuhl für Kommunikationsnetze leitete er 30 Jahre lang, bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2018. In dieser Zeit hat er 46 Promotionen und sechs Habilitationen betreut. Mittlerweile sind zwölf seiner Alumni als Professorin und Professor aktiv. Dabei war er für viele mehr als nur ein Doktorvater! Als Mentor stand Phuoc Tran-Gia denen, die er betreut hat, wissenschaftlich und persönlich immer mit Rat und Tat zur Seite. Er half vielen Menschen auch in schwierigen Phasen und konnte ihren Lebensweg positiv beeinflussen.

Herausragende Forschungsleistungen

Phuoc Tran-Gia war ein fantastischer Wissenschaftler, der durch seine zahlreichen Forschungsbeiträge eine führende Rolle in der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde inne hatte. Seine Forschungsaktivitäten konzentrieren sich auf die Architektur, Modellierung und Leistungsbewertung von Kommunikationsnetzen. Dabei prägte er die nationale und internationale Forschung zum Internet der Zukunft, mit der Erforschung der Möglichkeiten und Potenziale, die über die derzeitige Internetlandschaft hinausgehen. In seiner Forschung beschäftige er sich damit, über zukünftige Entwicklungen, Technologien und Paradigmen nachzudenken, die die Art der Vernetzung und Kommunikation grundlegend verändern könnten. Eines seiner wichtigsten und herausforderndsten Projekte war die Koordination des BMBF-Projektes G-Lab (German-Lab), welches die Bereitstellung einer Experimentalplattform und entsprechenden Studien zur Sicherheit, Zuverlässigkeit und Qualität im Internet der Zukunft zum Ziel hatte. Am Projekt G-Lab waren von 2008 bis 2012 insgesamt 29 Partner aus Hochschulen, Forschungsinstituten und Unternehmen beteiligt.

Darüber hinaus umfassten seine Forschungsschwerpunkte die Planung und Optimierung von Kommunikationsnetzen, das Netz- und Ressourcenmanagement, insbesondere von Mobilfunknetzen, die Modellierung der Netzdynamik und -steuerung, die Dienstgüte in Kommunikationsnetzen, insbesondere auch die vom Nutzer erfahrene Dienstgüte (Quality of Experience), Techniken der softwarisierten und programmierbaren Netze, Netzvirtualisierung sowie Crowdsourcing.

In Anerkennung seiner Verdienste und wissenschaftlichen Leistungen wurden ihm neben zahlreicher Best Paper Awards insbesondere die folgenden Preise zuteil. Den Fred W. Ellersick Prize erhielt er 2013 für den besten Artikel in den vergangenen drei Jahren der IEEE Communications Society zu einem Beitrag zur Modellierung der Quality of Experience in Kommunikationsnetzen. Der Arne Jensen Lifetime Award wurde Phuoc Tran-Gia 2016 für seinen großen Beitrag zur Verkehrstheorie in Kommunikationsnetzen und sein außergewöhnliches Engagement für die Organisation und Gemeinschaft des International Teletraffic Congress (ITC) verliehen. In 2016 erhielt er den Robert-Piloty-Preis für seine außergewöhnlichen Leistungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie und Informatik, insbesondere im Bereich des Internets der Zukunft.

Phuoc Tran-Gia hatte ein großes internationales Ansehen und war u.a. Mitglied eines Exzellenznetzwerkes zum Internet der Zukunft (2003-2011), im Steuerungsausschuss des BMBF Projekts KING „Key Components for the Mobile Internet of the Next Generation“ (2001-2004), stellvertretender Vorsitzender des europäischen Projekts "Analysis and Design of Advanced Multiservice Networks supporting Mobility, Multimedia, and Internetworking" (COST 279, 2000-2005), Vorsitzender des europäischen Projekts "Impact of New Services on the Architecture and Performance of Broadband Networks" (COST 257, 1996-2000). Er war Direktor und Gründungskoordinator eines interdisziplinären Forschungszentrums Center for Network Optimization (CNO) mit Nortel von 1997-2000. Er hat mehrere international tätige IT-Unternehmen mitgegründet, darunter die Infosim-Gruppe mit Hauptsitz in Würzburg, deren Geschäftsführer er von 1999 bis 2002 war.

Durch sein hohes Ansehen wurde er von der Deutschen Forschungsgemeinde (DFG), dem BMBF sowie für europäische Förderprojekte oft als Gutachter eingesetzt. Er wurde vom Bayerischen Staatsministerium in ein Expertengremium zu Kommunikationstechnologien berufen. In seiner Karriere hat er mehr als 200 wissenschaftliche Beiträge und mehr als 20 Patente veröffentlicht. Hinzu kommen sieben Bücher, wobei er noch 2021 ein Buch zu „Performance Modeling and Analysis of Communication Networks“ veröffentlichte. Die Kunst der Modellierung hat er in seinem Ruhestand auch in einem anderen Bereich weitergeführt. Durch seine Malerei hat er das Wesen der Welt auf der Leinwand zum Ausdruck gebracht.

Renewal Process von Phuoc Tran-Gia (2021), Acryl auf Leinwand (50 cm x 70 cm).

Internationale Vernetzung und Lehre auf höchsten Niveau

Die internationale Vernetzung in Forschung und Lehre war eines seiner Leitmotive an der JMU. So machte er die JMU und Würzburg zu einem Aushängeschild für Top-Forschung im Bereich der Kommunikationsnetze. Er organisierte verschiedene internationale Veranstaltungen, zu denen Expertinnen und Experten aus aller Welt nach Würzburg kamen. Dabei wurden neben dem fachlichen Austausch auch stets Wert auf persönliche Vernetzung und ein geeignetes Ambiente und ein Rahmenprogramm gelegt, welches den Teilnehmenden noch heute in Erinnerung ist. Die EuroView-Workshopreihe brachte Internet-Experten aus aller Welt in den Jahren 2006-2012 nach Würzburg.

Ein Höhepunkt war im Jahr 2016 die 28. Auflage der renommierten ITC-Konferenz, welches die erste internationale Konferenz im Bereich Networking Science & Practice seit dem Jahr 1955 ist. Neben einem hochklassigen Programm mit internationalen Gästen aus aller Welt wird das Konferenzdinner im Gartensaal der Residenz vielen bis heute in Erinnerung bleiben – insbesondere, weil Phuoc Tran-Gia spontan ein Musikkonzert mit zwei Konferenzteilnehmern initiierte, welches das Konferenzdinner musikalisch umrahmte.

Darüber hinaus war Phuoc Tran-Gia auch in der internationalen Lehre aktiv und gab regelmäßig Lehrveranstaltungen als Blockkurs an der Hanoi University of Science and Technology (HUST) in Vietnam. Noch Anfang 2023 dozierte er über Kommunikationsnetze und deren Leistungsbewertung an der HUST. Jeder, der das Glück hatte, ihn persönlich kennenzulernen, war schnell von seiner Begeisterung und seiner Ausstrahlung fasziniert. Seine Gabe komplexe Zusammenhänge und Kommunikationssysteme spielerisch leicht zu modellieren, um eine Forschungsfrage in Angriff zu nehmen, war inspirierend. Daher war er selbst auch immer ein gern gesehener Gastredner auf Konferenzen und Kolloquien in aller Welt. Seine Begeisterung in der Lehre war auch für die Studierenden ansteckend. Dabei bereitete er sich immer äußerst sorgfältig auf seine Lehrveranstaltungen vor, die u.a. die Bereiche der Informationsübertragung, der Rechnernetze und Kommunikationssysteme, sowie die Leistungsbewertung verteilter Systeme umfassten. Es war visionär, dass er schon in den neunziger Jahren eine Vorlesung zu neuronalen Netzen und ihren Anwendungen eingeführt hat, als die künstliche Intelligenz noch weit davon entfernt war, ihr Potential zu zeigen.

Im Jahr 2015 wurde er zum Vizepräsidenten der JMU gewählt. In dieser Position, die er drei Jahre lang innehatte, war er für die Bereiche Internationalisierung, Alumni, Informationstechnologie und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich und entwickelte diese Bereiche mit großem Engagement weiter. Dafür wurde er von der JMU beim Stiftungsfest im Jahr 2020 mit der Ehrenbürgerwürde ausgezeichnet.

Mit Phuoc Tran-Gia haben wir einen äußerst angesehenen Wissenschaftler, Kollegen und Freund verloren, den wir vermissen werden.

 

 

Das Institut für Informatik

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